Dienstag, 22. September 2015

Alzheimer: Das unbekannte Vergessen



Grau in Grau scheint die Welt für Alzheimer-Betroffene zu sein. 


Alzheimer-Tag 21. September - immer ein Thema
Irgendwann holte es auch den Vater ein


Von Jürgen Weller

September 2015. Er war Ende 60, als uns auffiel, dass er sich an Orten, die er bis vor Kurzem jahrelang besucht hatte, nicht mehr so richtig zurechtfand. Eduard* (*alle Namen im Bericht geändert), Ehepartner, Vater und Opa, tat sich mit der Orientierung schwerer und musste auch bei Menschen außerhalb des wohnlichen Umfelds, die er Jahrzehnte lang kannte, öfter den Namen nachfragen. Es dauerte noch rund ein Jahr, bis er auch in der Wohnung nicht mehr bestimmt und geradlinig in die Zimmer ging. Mutter Erika half ihm. Vater wusste aber noch, die Haustreppe zu gehen und wo sein „angestammter“ Platz im Wohnzimmer auf der Couch war. Er war fahrig und faltete die Tischedecke an seinem Platz hin und her, sonst aber wirkte er zufrieden. Bis dahin funktionierte auch noch ein Teil seines Kopfes, seines Gehirns. Fragten wir nach seinem Geburtsdatum, kam es schnell: 13. Januar 1912. Aber die Krankheit, die Demenz, die Hirnvergesslichkeit, heute meist „Morbus Alzheimer“, also Alzheimer-Erkrankung, setzte sich durch. Keine medizinische Hilfe damals.

Als Eduard dem 70-Jährigen zuging, wurde klar, dass etwas mit seinem Gedächtnis nicht stimmte. Er bemühte sich zwar, aber es wurde immer weniger. An seinem Geburtstag erzählte er kaum etwas, obwohl er doch sonst gerne von alten Zeiten und über die aktuelle Politik sprach. Ob er die Menschen noch erkannte, die ihm zum Geburtstag gratulierten, wusste niemand zu sagen. Er freute sich, schüttelte die Hand, sagte aber keine Namen.
Oft noch saßen wir zusammen neben dem Plattenschrank und legten Chöre, Märsche und Walzer auf, die er auch nach dem 70. noch lange mitsummen konnte. Wir fuhren gemeinsam in Urlaub an frühere Ferienorte, an der er sich erinnern konnte, aber seine Worte wurden immer spärlicher. „Oh Papa“, mussten wir, Mutter, Kinder, Enkel dann sagen, die wir den geistigen Verfall miterlebten. Was hatte er für Geschichten, Erzählungen für seine Heimatzeitung zum Westerwald geschrieben wie „Die Kräuter-Kathrin“ oder „Der Geist aus der Steineberger Höhe“, die noch in der nächsten Generation bekannt waren. Wie kannte er als Postler die deutschlandweiten Verbindungen der Bahnpost und die vielen Orte aus dem Effeff, wie konnte er von seinen Kriegseinsätzen in Griechenland, von Kreta und den Riesenschildkröten erzählen und von den weiteren Wegen, wo ihm auch Menschen aus anderen Ländern, eigentlich „Kriegsgegner“ weitergeholfen hätten. Alles das verstummte mehr und mehr.

Zunehmender Verfall
Der normal gut große und kräftige Mann verfiel mehr und mehr. Essen machte schon lange keine Freude mehr. Aber er aß und trank wenigstens noch ein bisschen, magerte dennoch immer mehr ab. Der Hausarzt versuchte es einmal mit einer Spritze, die wohl die Hirndurchblutung oder sonstwas fördern sollte. Wir wissen heute nicht mehr, was es war. Als er dann nach dem Abholen aus dem Auto stieg, schien er verwirrter als zuvor zu sein. Das hielt auch den nächsten Tag noch an. Kurz, es hatte nichts gebracht! Eher im Gegenteil.
Irgendwann kam er mit einer Art Bronchitis ins Krankenhaus. Seit seinen Lazarett-Aufenthalten mit zig Splitter- und einer Einschussverwundung während der Kriegszeit und mit nachgehender Behandlung war er nie mehr in einem Krankenhaus. Nun aber stellten sie ihn dort „auf den Kopf“, was er im Prinzip nicht gewollt hätte, aber nun nicht mehr sagen konnte. Unser Bestreben dabei war, dass es ihm wieder besser ging. Man diagnostizierte schließlich Wasser in der Lunge. Das wurde mit einer Absaugspritze über den Rücken in die Lunge beseitigt. Atem- oder Luftprobleme hatte er allerdings noch nie, auch keine Herzprobleme. Nur wenige Jahre vorher hatte er noch lange Spaziergänge mit dem Enkel und Erika gemacht. Die vier Treppen im Wohnhaus ging er teils schneller als ich. In den letzten Monaten vor seinem Tod wollte er aber zwischendurch eine Pause machen. Ein paar Sekunden, - tief durchatmen.

Arztidee – Alkohol und Vormundschaft
Als er in diesem Krankenhaus liegt, bittet uns der wohl leitende Arzt ins „Chefzimmer“. Er erklärt uns: „Die Demenz scheint durch ein Alkoholproblem bedingt zu sein“. Was? Das war für uns mehr als erstaunlich. Wäre es nicht ernst gewesen: Es war zum Lachen. Deshalb klären wir den Ober-Doc auch gleich auf. Wie in den wieder besser laufenden Nachkriegsjahren bis in die 1960er-Jahre gab es alle paar Monate mal eine Geburtstags- sowie einmal im Jahr eine Karnevals- und Silvesterfeier. Neben ein paar Bieren wurde auch mal ein Schnaps, vorwiegend Wacholder, getrunken. Aber das war's. Zu Hause trank Papa abends zum Wochenende mal gemütlich ein, also ein!, Flaschenbier, und sonst nichts. Er ging auch nicht aus. Ein einziges Mal im Leben habe ich meinen Vater nach einer großen Feier mit Kollegen leicht betrunken gesehen. Sonst nie! In über 40 Jahren Ehe und über 30 Jahre täglichem Kontakt bekäme man das mit. Oder? Schließlich war er nach der Arbeit oder später nach Spaziergängen oder Spielen mit den Enkel immer zu Hause. Kurz, es war nicht und nie so. Schlicht Unsinn, irgendwann ausgedacht. Okay, zu der Zeit wusste man auch in Ärztekreisen vielleicht noch weniger über Alzheimer als heute. Wahrscheinlich war Anfang der 1970er das Alzheimer-Problem noch nicht so richtig durchgedrungen.
Der Arzt schockte uns aber erneut. Er eröffnete uns, dass er meinen Vater nicht mehr als geschäftsfähig ansehen könnte und eine Vormundschaft vorschlagen müsste. Jeder mag sich vorstellen, wie wir reagiert haben. Es kam dann nicht dazu. Generell fragen wir uns, wie es sein kann, dass in einer intakten Familie ein Vormund oder nach dem nun seit Jahrzehnten neueren Recht ein fremder Betreuer bestellt werden sollte?! Hat es sich da der Gesetzgeber einfach gemacht oder wollte er nur einen neuen Begriff, Betreuer statt Vormund, einführen? Unabhängig davon, dass so etwas in manchen Fällen vielleicht notwendig ist, wissen wir heute um die nicht immer einfache sondern teils problematische Abwicklung hinsichtlich Vermögensverwaltung und Wohnbesitzbestimmung. Ein schwieriges Feld, bei dem Angehörige immer genau schauen und wenn erforderlich Rechtswege ausschöpfen sollten!

Krankenhaus und Altersheim
Zurück zum Krankenaufenthalt. Vater fällt in eine Art Lethargie. Er isst und trinkt wenig, nimmt zusehends weiter ab und ist kaum ansprechbar. Er ist nur noch "Haut und Knochen". Schlimm. Wir wissen keinen Rat und rechnen mit dem Schlimmsten. Dann kommt eine Visite. Einer der Ärzte sagt: „Der Mann ist ausgetrocknet“. Das Problem kennen wir mittlerweile noch von manchen anderen Fällen aus nun „ganz modernen“ Zeiten. Der Arzt ordnete an, was zu tun ist. Nun musste man sich im Krankenhaus kümmern, und siehe da, der Demenz-Patient blühte im Rahmen der Möglichkeiten auf. Er war ansprechbar, erkannte uns und war zu einigen Worten fähig. Es war sehr gut, konnte aber die Krankheit nicht aufhalten. Er wurde schon bald entlassen. Als ich ihn abholte, stieg er alleine ins Auto. 
Nach ein paar Tagen zu Hause ging es aber erst einmal für wenige Wochen in ein Altenheim rund fünf Kilometer entfernt. Mutter musste unbedingt einmal zur Ruhe kommen, obwohl sie dann doch jeden Tag per Bus und Fußweg dort war. Vater war zum Teil im Bett und im Stuhl angegurtet „damit er nicht rausfällt“. Sein ganzes Gedächtnis hatte er nicht verloren, auch wenn er inzwischen kaum noch klare Worte sprechen konnte. Wenn wir kamen, lächelte er „über beide Ohren“. Er wusste, dass jetzt „seine Leute“ da waren. Natürlich holten wir ihn schnellstmöglich daraus. Nach Hause, in seine vertraute Umgebung. So, wie er sich freute, als er da war! Er wusste wohl, „zu Hause“ zu sein. Das war für alle schön.

Für einige Zeit noch „da“
Zu Hause saß er aber mehr oder weniger nur noch an „seinem Platz“ neben dem Wohnzimmertisch, guckte ein bisschen in den Fernseher, die Zeitung, die er früher Tag für Tag beflissen gelesen hatte, interessierte ihn nicht mehr. Unsere Namen konnte er nicht mehr sagen, aber er erkannte uns wohl bis zuletzt. Er war weiterhin unruhig mit seinen Händen, lief aber nicht herum und war stets ganz friedvoll. Ich war nahezu jeden Abend nach der Arbeit da, um Mutter zu helfen, wenn sie ihn zum Bettgang aus- und den Schlafanzug anzog. Ich hielt ihn dabei sanft von hinten über die Brust fest, damit er nicht umfiel. Weil er davor Angst zu haben schien, redete ich mich ihm „Papa, keine Sorge ich halte dich fest.“ Dann blieb er stehen und wartete, bis das Umziehen fertig war und wir ihn ins Bett brachten. Da war wohl noch so einiges bei ihm gespeichert.
Vater kam in dieser Zeit nicht mehr ins Krankenhaus und auch nichts ins Pflegeheim. Er war „bei uns“. Es gab keine besonderen Vorkommnisse, der Hausarzt kam nur regelmäßig zum Gucken. Eduard wird aber immer hinfälliger und irgendwann komplett bettlägerig. Es ereilt ihn das, was nach wie vor in vielen Fällen ein Problem ist, eine Lungenentzündung. Er atmete schneller, griff nachts immer wieder noch zu den Händen meiner Mutter und hielt sie fest. Auch in der Nacht, als es passierte, wie Mutter sagte. Er hörte auf zu atmen. Der Arzt konnte nur noch den Tod feststellen.
Mich ereilte die Todesnachricht am frühen Vormittag auf der Arbeit. Es war kein Thema, dass ich direkt nach Hause konnte. „Sanft entschlafen“ sagt man, ich drückte noch die Hand meines Vaters. Danke für alles und die wunderschöne Kindheit - alles umwoben von tiefgehender Trauer.



Hinweis: Am 21. September ist Alzheimer-Tag. Je nach Quelle werden für Deutschland zwischen etwa 1,2 und 1,5 Millionen Erkrankte gemeldet. Diese Erkrankung macht danach wohl den größten Teil der Demenz.-Erkrankungen aus. Demenz steht für nachlassenden Verstand oder nicht mehr richtigen Verstand. Früher nutzte man bei alten Menschen den Begriff „Verkalkung“. Die Bezeichnung Alzheimer (Morbus Alzheimer) rührt vom Namen des deutschen Psychiaters Alzheimer her, der bei Patienten Veränderungen, Ablagerungen, im Gehirn erkannte. Vereinfacht ausgedrückt, funktioniert dadurch nicht mehr die notwendige Signalübertragung zwischen den Nervenzellen und -bahnen. Das Gehirn verliert unter anderem die Fähigkeit, Wichtiges zu verbinden. Eventuell sind manche Hirnregionen weniger belastet. Musik, Melodien sind wie beim Vater zum Teil noch lange „da“, im Kopf.
Ob diese Ablagerungen alleine Schuld sind, ist ungewiss. Es gibt auch Untersuchungen, nach denen Menschen mit diesen Eiweiß- oder ähnlichen Ablagerungen nach wie vor geistig fit sind. Andererseits scheint es auch keine Rolle zu spielen, ob man bis vorm endgültigem Ausbruch der Krankheit geistig rege und fit war. Im Prinzip kann jeder betroffen werden. Es gibt in der Literatur zahlreiche Hinweise, auch zu möglichen oder gedachten Ursachen. Da sie nicht endlich geklärt sind, kann man nur von Vermutungen ausgehen. Schließlich sind Menschen mit völlig verschiedenen Lebensläufen hinsichtlich Ernährung, Aufwachsen, Bildung, sportlichen Aktivitäten, niedriger und hoher Geistesaktivitäten, übergewichtige und schlanke Menschen betroffen. Zum Teil beginnt die Krankheit heute auch schon Ende der 40er-Lebensjahre und schreitet voran. Mit zunehmendem Alter scheint Alzheimer vermehrt aufzutreten. Aber, zum Glück, sind längst nicht alle betroffen.
Die genauen Ursachen und Abläufe sind bis heute nicht richtig bekannt. Das ist auch der Grund, warum es zurzeit keine Arzneimittel gibt, mit denen die Krankheit geheilt werden kann. Im Frühstadium werden Medikamente eingesetzt, die den Verlauf verzögern sollen.
Für die Wissenschaft und Forschung gibt es diesbezüglich viel Arbeit, die Zusammenhänge erkennen und verstehen zu können und die richtigen Ansätze zu finden, die eine Therapie ermöglichen. Die derzeitige Situation ist so, dass weltweit mit einer steigenden Zahl von Erkrankungen gerechnet wird.
Wie bei einem Koma ist nach den hiesigen Erfahrungen auch gar nicht bekannt, was in Sachen Erinnerung, Erkennen, Regungen usw. noch ganz oder in Resten vorhanden ist, weil sich Betroffene meist nicht mehr oder nicht mehr richtig artikulieren können.
Betroffene bzw. deren Angehörige finden mehr auf den Seiten der Deutschen Alzheimergesellschaft

In vielen Orten gibt es Vereine oder Arbeitskreise zum Thema.  

Hinweis für Redaktionen: Zu Abdruck oder anderer Veröffentlichung des Artikels oder Teilen davon bitte erst bei uns anfragen (presseweller.de). Gerne stellen wir auch eine gekürzte Zusammenfassung oder ergänzende Texte zur Verfügung.  

Donnerstag, 23. Juli 2015

Betreuungsgeld für Eltern und das Urteil



Es war schon früher so: Kinder freuten sich, "bei Mama" und Papa  zu sein. So ist es wohl immer noch. Der Kleine hat gut lachen, weil er natürlich auch mit eineinhalb Jahren und bis über fünf Jahre zu Hause bei den Eltern und beim Bruder war. Die sitzen übrigens fröhlich gegenüber.  (Repro/Mont.: presseweller)

Schon immer schön: zu Hause „groß“ werden


Kommentar

23. Juli 2015. (dialogprw). Zu Hause, in der Familie bei Vater und Mutter und eventuellen Geschwistern, groß werden, so haben es viele sehr positiv vor und auch nach dem Krieg seit den 1950er- und bis in die 1970er-Jahre kennengelernt. Ein gutes Gefühl. Das vor wenigen Tagen ergangene Urteil der Bundesverfassungsrichter ist wie ein „Schlag ins Gesicht“ für diejenigen, die etwas sehr Wichtiges machen: ihre Kleinstkinder bis zum Alter von drei Jahren zu Hause selbst betreuen und vor allem „umsorgen“. Das ist immer noch etwas völlig anderes als in Kitas (Kindertagesstätten) oder bei Tagesmüttern, wenn sicher auch dort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Bestes zum Wohl der Kleinen geben.

Meine Nachkriegsgeneration – und zum großen Teil auch die Folgegeneration - kennt das noch: Wir waren nicht nur bis zum Alter von drei Jahren, sondern darüber hinaus zu Hause. Die spätere Möglichkeit, in den Kindergarten zu gehen, wurde längst nicht von allen genutzt. Zu Hause gab es Schwester und/ oder Bruder, auf der Straße waren viele Kinder zum Spielen. Familiensinn hieß damals, dass vorwiegend die Mutter – in Ausnahmefällen – der Vater zu Hause war. Schwieriger war die Situation für Alleinerziehende. Das traditionelle für mich und viele andere optimale Familienbild wird vielleicht irgendwann noch einmal ein Vorbild sein. Nein, Geld gab es früher keines dafür. Es gab sogar Zeiten, da gab es noch nicht einmal Kindergeld! Es gab aber auch noch keine Kitas. Das Betreuungsgeld für die Eltern, die das Wichtigste machen, ihre Kinder zu Hause umsorgen, ist gut und ein kleiner und gerechter Ausgleich zu den überwiegend von der Allgemeinheit getragenen Kitakosten. Schließlich fällt im Endeffekt für den Steuerzahler einiges an. Das Betreuungsgeld ist eine Anerkennung für die Familien, in denen Mutter oder Vater die Betreuung übernehmen. Daher muss ich in diesem Fall, wie sicher viele andere, der CSU unbedingt beipflichten, obwohl ich mich sonst politisch neutral in Blogs und Co. verhalte.

Der Ball liegt bei den Ländern
Die Richter haben sich der Argumentation des Landes Hamburg angeschlossen. Danach wäre diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu Kindererziehung und Betreuungsgeld Ländersache. Rein verfassungsrechtlich wird es danach dann wohl so sein. Welche Instanz gäbe es jetzt noch, diese Rechtsauffassung prüfen zu lassen? Wenn das aber so ist, muss man sagen, dass es wohl "handwerkliche Fehler" bei der Gesetzgebung gab, die aber dennoch eine Mehrheit im Parlament gefunden hatte. Sofern es keine Einigung unter den derzeitigen Länderregierungen gibt, die sich zum großen Glück nach Wahlen immer wieder einmal verändern können, ist es denkbar, dass das Betreuungsgeld in vielen Ländern abgeschafft wird. Das Vertrauen auf Rechtssicherheit ist, in diesem Fall bei den betroffenen Familien, einmal mehr dahin!
SPD- und Rot-Grün-regierte Länder sehe ich bei der Abschaffung vorne, worauf bereits die Aussagen von Politikern wie aus NRW und Rheinland-Pfalz hindeuten. Man will das dann „freie Geld“ lieber in Kitas und Frühkinderbetreuung stecken. Ja, die klassische Familie wird immer öfter als „überkommene Lebensform“ dargestellt. Auch aus Unternehmerkreisen sieht mancher, dass die Mütter oder Väter erst einmal dem Arbeitsmarkt entzogen wären. Dazu muss man sich andererseits die Zahl der vielen Langzeitsarbeitslosen, jugendlicher Arbeitsloser, an Minijobs und der Beschäftigten mit Zeitverträgen anschauen. Wie es aussieht, wird zumindest Bayern, dieses Land, das wirtschaftlich und neben aller Moderne in vielen tradierten Dingen weit vorne liegt, diese Regelung meiner derzeitigen Auffassung nach beibehalten. Das ist sehr zu hoffen. Vielleicht greifen einige andere Länder auch auf dieses Modell für Familien zurück. Und Nachhilfe von Politikern anderer Länder braucht Bayern gewiss nicht!

Fehlargumentation und Zukunft
Immer wieder ist dann von "geneigten Kreisen" auch die Argumentation zu hören,wie wichtig, durch Besuche von Kitas, Kindergärten gestärkt, die frühkindliche Bildung heute wäre. Kinder brauchen einige Jahre, um selbst ihre Umgebung zu entdecken, sich dies und das durch erste eigene Erfahrungen anzueignen, ins Leben zu finden. So wie ich es kenne, hatten zu meiner Zeit und später viele Kinder bei der Einschulung bereits erste Kenntnisse im Lesen und Schreiben. Zu Hause unter der Betreuung von Vater und Mutter angeeignet. Merkwürdig in diesem Zusammenhang: Gerade seitens der Wirtschaft werden seit Jahren, also in der "Neuzeit", auf wichtigen Gebieten "mangelnde Kenntnisse" der Azubis beklagt. Wo mag denn wohl da nun das Problem liegen? 

Der Zukunftsblick in Sachen Kita und auch solchen neuen Überlegungen nach - mit Nächtigungsmöglichkeiten für die Kleinen - könnte so aussehen, dass der Weg nicht weit dahin ist, irgendwann Babys bereits kurze Zeit nach der Geburt in solche Einrichtungen zu geben. Ob das eine schöne Zukunft ist, sei einmal dahingestellt. 

Damit keine Missverständnisse aufkommen. Sicher haben Kitas und Kindergärten ihre Berechtigung. Sie sind besonders für Alleinerziehende eine große Hilfe und für diejenigen Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, aus Spaß, oder weil das Einkommen von einem Elternteil nicht ausreicht. Dazu könnte man sich - vor allem auch die Politik und Wirtschaft - auch nochmals Gedanken machen.  

Mal sehen, wie das Betreuungsgeld-Problem gelöst wird, wie Eltern, die so etwas Wichtiges machen, wie ihre Kleinstkinder zu betreuen, wieder Rechtssicherheit bekommen.          J. Weller